Es leben schätzungsweise 45000 Afghanen in Österreich. Die meisten von Ihnen sind nach dem Jahr 2001 aus ihrem Land geflohen. Ein Großteil von Ihnen sind im Jahr 2015 mit der „Flüchtlingswelle“ nach Österreich gekommen. Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, genau wie die andere Länder in Zentralasien. Schaut man genauer hin, merkt man, dass die Mehrheit der afghanischen Flüchtlinge asiatisch aussehen. Diese sind die Hazara´s, welche seit drei Jahrhunderten in ihrem Land als Dissidenten gesehen werden. Es gibt zwei Gründe dafür, einer davon ist, dass sie ethnisch gesehen nicht wie die Mehrheit der Afghanen (Paschtunen und Tadjiken) indogermanische Wurzeln haben, sondern von einer zentralasiatisch-türkischen Abstammung sind. Außerdem sind die Hazaras als einzige afghanische Volksgruppe Schiiten. Aus diesen zwei Gründen waren sie in Afghanistan immer Menschen zweiter Klasse. Sie bildeten die unterste Schicht der Gesellschaft. Unter König Abulrahman Khan (Ende 19te Jahrhundert) wurden sie von ihren Ländern vertrieben und in den Bergen geschickt, wo sie von dem Rest der Welt abgeschottet waren. Während der Herrschaft des afghanischen Königs Mohammed Zahir Shah, der von Jahr 1933 bis 1973 an der Macht war, durften die Hazaras überhaupt nicht zur Schulen gehen. Erst unter Dawood Khan, der Cousin des Königs, welcher durch einen Putsch an die Macht kam, durften die Hazara in die Schule gehen. Daraufhin baute man die erste Schule in einer ländlichen Region.
Nach dem Putsch durch die Kommunisten im Jahr 1978 brach ein Krieg in Afghanistan aus. Der Krieg war zwischen der kommunistischen Regierung mit Unterstützung der UDSSR und den Mojahideen, die die amerikanischen Waffen und Geld bekamen. Das Sprichwort besagt, dass im Krieg die Karten immer neu gemischt werden. Wie alle anderen Parteien auch, hatten die Hazaras eine starke politische Partei mit einem eigenen Militär. Die von Pakistan unterstützten Taliban haben im Jahr 1994 begonnen, den anderen Parteien ziemlich schnell zu besiegen und das Land unter ihrer Kontrolle zu bringen. Wie alle wissen, sind die Taliban sunnitische Moslime und prägen die extreme Form des Islams. Unter ihrer Kontrolle hatten alle Afghanen schwierige Situationen erlebt. Alle wurden ungeachtet der Ethnie, unterdrückt. Die Hazaras erfuhren Menschenrechtsverletzungen. In den Regionen mit überwiegender Hazara Bevölkerung wurden Transportwege blockiert, wodurch es zu Hungernöten kam. Unter der Herrschaft der Taliban waren solche Vorfälle keine Seltenheit. Zwischen 1997 und 2000 gab es ein Lebensmittel Embargo in den Provinzen Bamiyan, Daikundi, Jaghori und Urozgan. Dies war einer ihren Taktiken, um die Region Hazarajat unter ihrer Kontrolle zu bringen. Es kam zu Hungersnöten in der Region. Der Autor Ahmad Rashid beschreibt die Situation genauer in seinem Buch „Taliban“, welches im Jahr 2000 erschienen ist. Im Jahr 1998 wurden in der Stadt Mazar-i-Sharif, im Nordwesten des Landes, mehr als 4000 Hazara nach der Eroberung der Stadt durch die Taliban ermordet. Dazu gibt es auch einen Bericht von Human Rights Watch. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Hazaras aufgrund ihrer liberaleren Lebenseinstellung von den Taliban gehasst werden. Sie sind nicht streng religiös, ihre Frauen nehmen im öffentlichen Leben Teil und sie sind im Vergleich zu den anderen Volksgruppen besser gebildet. Während der Kriegsjahren (ab den 1980er) haben die Hazara selber begonnen Schulen in ihren jeweiligen Ortschaften privat zu finanzieren. Es gab sogar eine Privatuniversität, welche durch Spendengelder ermöglicht wurde. Nach der Rückeroberung des Landes von den Händen der Taliban wurde im Jahr 2002 eine neue demokratische Regierung gebildet. Die Verhandlung dazu fand in Bonn, Deutschland statt. Der Grundstein der neuen Regierung wurde nach dem Vorbild der Westeuropäischen und Nordamerikanischen Länder gelegt. Das System wurde mit der Unterstützung der NATO finanziert. Diese wurde daran gekoppelt, dass bestimmte Quoten von Minderheiten, Frauen und andere Voraussetzungen erfüllt werden mussten. Die Hazara´s haben die Post 9/11 Afghanistan gut nutzen können. Es gab eine Bildungsoffensive in Hazarajat Regionen. Bildung in ihren Regionen Geographische zentral gelegen) wird großgeschrieben und der Zugang zu Bildungsinstitutionen in dieser Region ist fast universal. Das Ganze wird privat finanziert. Der Staat hat diese Region vernachlässigt, indem sie jene nur wenig Budgetgelder haben zukommen lassen. Dort gibt keinen Strom, keine Straße und nicht viele öffentliche Einrichtungen. Männer und Frauen von Hazarajat besuchen die Hochschulen in Großstädten wie Kabul, Herat und Mazar-iSharif. Sie beteiligen sich an dem demokratischen Prozess. Die Hazaras haben Politikerinnen im Parlament und auch in den Staatsaparaten. Viele Frauen dienen auch dem Heer und der Polizei des Landes.
Das ist ja alles schön und gut! Aber mich interessiert, warum Afghanen nach Österreich kommen.
Wie alle anderen komplizierten Sachen, ist auch hier die Antwort nicht so kurz und einfach. Nach dem 9/11 Anschlag hat die NATO die Taliban nicht besiegen können. Am Anfang der 2000er Jahre waren sie geschwächt. Nach und nach haben sie sich wieder organisiert. Mit dem Drogengeld haben sie ihre Kriege und Waffen finanziert. Und zu einem Großteil wurden sie auch von dem benachbarten Land Pakistan militärisch, finanziell und logistisch unterstützt. Laut Berichterstattungen sind nur 55% der afghanischen Gebiete unter Kontrolle der afghanischen Einheitsregierung. Die Taliban hat die südlichen und östlichen Regionen von Afghanistan völlig unter ihrer Kontrolle. Mit anderen Worten haben die Taliban die Regionen, aus dem die Hazara ursprünglich kommen, umzingelt und kontrollieren alle Hauptstraßen. Dieser Zustand ist ca. seit 2008 gegeben. Es wäre richtig zu sagen, dass die Taliban und die Hazara aufgrund ihrer Lebenseinstellung verfeindet sind. Sie haben immer die Hazara Studenten, Politiker, Sportler, Musiker und auch normale Menschen aus der Route entführt, um sie zu beseitigen. Es gibt unzählige Beispiele dafür. Laut den Taliban ist es eine Sünde, Universitäten zu besuchen, da diese einen Menschen ungläubig mache.
Die Taliban hat ihr eigenes Staatsgebilde mit einer komplizierten Hierarchie und ein gut funktionierendes System. Sie haben mehr als 30.000 Soldaten und kontrollieren einen Großteil der Drogen-Route, was ein Milliarden Dollar Geschäft ist. Sie haben die Kapazität gleichzeitig an 15 Großfronten zu Kämpfen, was auch jetzt passiert. Der afghanische Präsident hat vor kurzem gesagt, dass seit dem Jahr 2015 29.000 afghanische Soldaten und Polizisten durch Krieg ihr Leben verloren haben. Ich rufe noch einmal zur Erinnerung, dass die Hazaras in der, von der US unterstützten Regierung gut eingegliedert sind (Obwohl sie diskriminiert werden und entsprechend ihrer Anzahl und Qualifikationen nicht genug Jobs bekommen).
Seit Ende Oktober 2018 attackiert die Taliban aktiv die Hazara Regionen Urozgan Khas, Jaghori und Malistan. Begonnen hat das mit Urozgan Khas. Die Dörfer der Hazara wurden attakiert.
Mehr als 200 sind in Urozgan Khas ermordet worden und mehr als 300 Familien sind geflohen. Es ist ein Völkermord. Nach einer Woche haben die Taliban eine andere Hazara Gemeinde Jaghori, in der Provinz Ghazni gelegene Bezirk, nach Angaben der einheimischen mit 1.000 Soldaten von drei Fronten attackiert. Es wurden mehr als 500 Menschen ermordet und der Kampf hat zwei Wochen gedauert. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung dieser beiden Regionen sind in anderen Provinzen wie Kabul und Stadt Ghazni geflüchtet, weil sie sich vor der Taliban fürchten und das Massaker von 1998 im Norden Afghanistans noch nicht vergessen haben. Malistan, ein anderer Bezirk in Ghazni, ist auch seit zwei Wochen unter Attacke der Terroristen. Diese Regionen sind Vorbild für das ganze Land, was Bildung, Freiheit für Frauen und Kultur angeht. Die Menschen wollen in Freiheit leben und für ihre Kinder ein gutes Leben ermöglichen, was unter der Taliban nicht möglich sein wird. In dieser Region ist weder eine staatliche Organisation, noch sind die Amerikaner stationiert. Es ist eine weit gelegene Region, die kaum strategische Bedeutung haben.
Seit drei Wochen findet ein Völkermord gegen die Hazara statt. Es leben circa 800.000 Menschen in diesen Regionen, die Hälfte von ihnen sind innerhalb des Landes geflüchtet. Frauen und Kinder schlafen im Winter bei -1 bis 20 in Kälte. Niemand hat die Kapazität so viele Menschen unter zu bringen. Die Tragödie in Afghanistan ist so, dass als junge Menschen für die Sicherheit von Jaghori, Urozgan Khas und Malistan einen Protest gegenüber dem afghanischen Präsidentenpalast organisiert haben, sind auch diese von den Terroristen attackiert worden. Das Recht auf das Leben ist auch in Artikel 3 der Menschenrechtskonvention der UNO verankert. Sechs dieser jungen Menschen sind ermordet worden. So ist das Leben einer Minderheit in Afghanistan. Es werden gleichzeitig mehreren Artikeln der Menschenrechte mit Füßen getreten, aber es interessiert niemanden. Diese Minderheit ist weder in ihre Regionen noch in Kabul sicher. Aus diesen Gründen flüchten die Menschen aus dem Land, sobald sie die Möglichkeit haben.