Darüber spricht man(n) NICHT

Die ganze Familie sitzt um den Küchentisch herum. Plötzlich nimmt meine 14-jährige Schwester das Wort „Periode“ in den Mund. Sie will von meinen Eltern wissen, von wem und ob sie über dieses Thema aufgeklärt wurden. Die ganze Stimmung ändert sich schlagartig. Mein Vater wird auf einmal stumm und die Mama läuft rot an, versucht es durch Lachen zu überspielen und gibt meiner Schwester ein Zeichen, sofort aufzuhören. Die kleine, naive Schwester weiß eben nicht, dass man über Manches nicht spricht!

Menstruation. Monatsblutung. Periode. Regel. Tage. Dafür, dass es so viele verschiedene Bezeichnungen für dieses im Leben jeder Frau natürlich vorkommende Ereignis gibt, wird dieses Thema in der afghanischen Gesellschaft, kaum erwähnt und in den Mund genommen.

Eine gesunde Frau bekommt im Alter von10-15Jahren ihre erste Periode, die als Menarche bezeichnet wird. Wann sie eintritt, ist jedoch abhängig davon, ob das Geschlechtsorgan soweit entwickelt ist und der Körper genügend Geschlechtshormone produziert. Ihrer Lebenserwartung nach sollte eine weibliche Person während ihrer fruchtbaren Jahre im Durchschnitt bis zu 400-mal damit konfrontiert werden. Bei einer kinderlosen Frau erhöht sich diese Zahl auf 500.

Ungefähr die Hälfte der weltweiten Bevölkerung ist von dieser Thematik betroffen. Nichtsdestotrotz löst dieses Wort bei Vielen unangenehme Gefühle aus und sorgt zum Teil dafür, dass sich die Betroffenen unbehaglich fühlen, was mehr oder weniger von dem Lebensort der Frau abhängt. In den mitteleuropäischen Ländern, wo die Schulpflicht für alle gilt, werden die Mädchen -getrennt von den Knaben -schon in der Unterstufe im Alter von ungefähr 10 Jahren über dieses Thema aufgeklärt. Dabei werden sie über die Veränderungen in ihrem Körper und über den Umgang in solch einer Situation informiert. Dies machen sich nicht nur die Schulen, sondern auch die Eltern zur Aufgabe. In diesen Ländern wird in manchen Familien die erste Periode zelebriert.

Im Vergleich dazu wird diese Thematik in dem südasiatischen Land Afghanistan unterschiedlich behandelt. Es gehört zu einender vielen Tabuthemen, worüber quasi nie offen gesprochen wird. Aufgrund der mangelhaften Informationen in diesem Bereich, können die Mütterihre Töchter über dieses Ereignis nicht aufklären. Dabei können sie auch nicht mit der Unterstützung ihres Lebensgefährten rechnen, denn Themen wie diese gehen den Männern kaum etwas an. Viele der Frauen vertreten die Meinung, dass ihre Mädchen zu jung und unreif für solch ein Gespräch seien. Aus diesem Grund wird das Gespräch immer nach hinten verschoben oder überhaupt vermieden. Wenn die junge Frau die Menarche bekommt, kommt es sehr häufig vor, dass sie aus Angst, Scham und Unerfahrenheit diese Sache lieber zuerst mit ihren etwas älteren und reiferen Freundinnen bespricht und sie nach Ratschlägen bittet, dabei weiß sie gar nicht was mit ihrem Körper geschieht.

In einem afghanischen Haushalt ist diese eine Sache mit viel Versteckereien verbunden. Es werden alle möglichen Tricks angewendet, um die Männer im Haus unwissend zurückzulassen. Im Islam sind die rituellen Gebete und das Fasten einer menstruierenden Muslimin untersagt, aber damit die Herren keinen Verdacht schöpfen, macht sie sich trotzdem die Umstände und gibt vor, mitzufasten. Unter den Frauen gibt es Code-Wörter für Binden, für die Blutung und alles Drum und Dran. Bei dem Gespräch mit meiner Oma wurde mir bewusst, dass sich diese Codes von Generation zu Generation ändern und sich dem eigentlichen Wort nähern, da die Jüngeren mit dem Thema offener umgehen können. Das zeigt uns, dass sich die neue, gebildetere afghanische Generation im europäischen Raumetwas mehr mit solchen Tabuthemen auseinandersetzt und die Problematik auch anspricht. In der heutigen Gesellschaft scheint das „Darüber sprechen“ genau richtig und angebracht zu sein. Also sprecht das Thema gerne am Küchentisch an!

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