Am 8. Nov. 2020 traf sich der Buchclub online für einen Austausch zum Buch „Generation Haram“, von Melisa Erkurt. Dabei wurden die Meinungen ausgetauscht, der eigene Bildungsweg reflektiert und diverse Themen wie die Konstruktion des Bildungssystems, Integrationsklassen, Heimat und Identität, Integration und noch vieles mehr diskutiert sowie auch besonders ansprechende Stellen im Buch gegenseitig vorgetragen.
Ein Mitglied des Buchclubs hat im Folgenden ihre Gedanken zu Schrift gebracht:
Melisa Erkurt hat Unglaubliches geleistet, sie hat das gesehen, was wir nicht gesehen haben, trotz dessen, dass wir es erfahren und erlebt haben. Sie hat uns Migrantenschülern_innen eine Stimme gegeben, die jeder und jede hören sollte. Sie hat die Probleme angesprochen, – „Manche Dinge ändern sich eben nicht, wenn man sie jahrzehntelang nicht anspricht“ – mit denen wir immer wieder zu kämpfen haben, aber worüber niemand bisher gesprochen hat – Warum? Weil wir in einer Gesellschaft leben, wo – ich wage es zu behaupten – jeder und jede eine Maske aufsetzt und seine Probleme dahinter verbirgt ODER, weil wir uns als Mensch zweiter Klasse fühlen, weil wir so behandelt werden ODER, weil wir schon so viel durchmachen mussten, dass wir das kaum gemerkt haben oder kaum als Problem angesehen haben.
Sie hat angesprochen, dass wir doppelt so viel leisten müssen – erstmal dachte ich mir sie meint wir müssen in der Schule doppelt so viel leisten und die Sprache lernen, um mit den anderen mitzuhalten zu können, aber was erwartet man – da gibt es keinen Ausweg. Aber, was Melisa Erkurt meint ist, dass selbst wenn wir mit den Österreichern mithalten können, wird es nicht genug sein – Österreicher werden immer bevorzugt und Migranten mit Vorurteilen konfrontiert. Wir müssen doppelt so gut sein, um die gleiche Chance zu haben.
Aber was die Autorin meiner Meinung nach falsch angegangen ist, ist dass sie die Österreicher und die Migranten nicht als Einheit gesehen hat, sondern sie gegenübergestellt hat – es ist einem so vorgekommen, als würde sie den Österreichern vorwerfen, dass es ihnen so gut geht und die Migranten in die Opferrolle stecken. Integration kann nur durch eine Balance von beiden Seiten gelingen – wir Migranten versuchen unser Bestes, aber das bringt nichts solange wir nicht akzeptiert und respektiert werden, aber natürlich auch umgekehrt. Es geht nicht darum welche Gruppe ein Problem hat, sondern darum was das Problem ist.
Wenn Migranten einen Fehler machen wird es ganz anders beleuchtet, als wenn Österreicher einen Fehler machen. Fehler müssen angesprochen werden, egal von welcher Seite sie kommen ganz ohne Vorurteile.
Sie hat dieses „Undazugehörigkeitsgefühl“ und dieses „Unwillkommensein“ angesprochen, die jeder Migrant, jede Migrantin in sich trägt – in deinem Heimatland bist du der/die Österreicher_in und in Österreich bist du der/die Ausländer_in, die du immer bleiben wirst, ganz egal wie gut integriert du bist oder wie lange du hier lebst. – „Da wurde mir bewusst, dass ich zwar vor dem Krieg fliehen konnte, aber niemals vor dem kleinen Kind in mir, das sich so sehr nach Heimat sehnt.“
Wir werden zuerst als Migranten und dann als Individuum angesehen. Wir werden nicht als Mensch angesehen, sondern auf unsere Herkunft und auf unsere Migration reduziert. – „Mohammed ist kein Name, es ist ein Urteil“
Das Ziel von Melisa war den Migranten eine Stimme zu geben, um Verständnis zu erwecken und das Problem aufzuzeigen, um es lösen zu können. Das hat sie auf jeden Fall erreicht.